Hufbeschlag Erwin Beyer

 

 (Unser Bericht  zum Thema Hufbalance wurde auch im VFD Jahrbuch 2013 veröffentlicht)

 

1.Symptome und Entstehung einer Dysbalance

 

 a) Vererbung

 

Bei der direkten Übertragung der Eigenschaften der Elterntiere auf ihre Nachkommen sind die Informationen zur Ausprägung genetisch festgelegt.

 

Das heißt, hat der Vater oder das Muttertier bereits unterschiedliche Hufe, so ist es wahrscheinlich, dass auch das Fohlen eine ähnliche Stellung aufweist.

 b) Pferde sind wie die meisten Menschen auch Rechts- oder Linkshänder

Viele Dinge fallen ihnen auf der einen Hand leichter. Das zeigt sich z.B. schon beim Fressen und Wälzen. Das Pferd stellt z.B. beim Grasen immer den Fuß der bevorzugten Seite nach vorne, um bequem fressen zu können. Auch beim Wälzen ist zu beobachten, dass sich die Pferde meistens auf der gleichen Seite ablegen.

Ganz deutlich zeigt es sich aber unter dem Sattel. So gehen viele Pferde auf der einen Hand leichter und rittiger als auf der anderen. Gerade bei jungen Pferden zeigt sich das deutlich im Galopp. Sie sind auf einer Hand wesentlich ausbalancierter als auf der anderen oder haben evtl. sogar Probleme auf einer Hand, in den richtigen Galopp zu kommen.

 c) Barhufpflege/ Hufbeschlag

Tendiert ein Pferd bereits im Fohlenalter zu unterschiedlichen Hufen, ist eine regelmäßige Barhufpflege besonders wichtig. Da sich das Pferd noch im Wachstum befindet, kann durch regelmäßiges Ausschneiden eine unterschiedliche Winkelung der Hufe verringert und im besten Falle ganz vermieden werden.

Bei ausgewachsenen Pferden, bei denen nicht auf die Gleichheit und Balance der Hufe geachtet wurde, entsteht meist ein sehr schmaler Huf mit hohen Trachten (schon leicht tendierend zum Bockhuf) und auf der anderen Seite ein relativ großer runder Huf mit sehr flachen Trachten. Der Unterschied der beiden Hufe kann oft mehrere Eisengrößen ausmachen.

Dadurch wird eine unterschiedliche Bemuskelung des Pferdes speziell in der Schulter begünstigt. Das Vorderbein mit dem schmalen Huf hat bei jedem Schritt einen kürzeren Weg, um abzufußen und über die Zehe abzurollen. Das heißt, der Kraftaufwand ist auf dieser Seite geringer. Das Vorderbein mit dem großen flachen Huf hat dagegen einen längeren, aufwändigeren Weg, um abzufußen. Das heißt, die Muskulatur des Pferdes wird auf dieser Seite deutlich mehr beansprucht.


Wie hier auf der Abbildung deutlich zu erkennen ist, hat das Pferd auf der rechten Seite mehr Schultermuskulatur aufgebaut als auf der linken Seite.


 

Folglich ist bei diesem Pferd der rechte Huf weiter und flach in den Trachten.


 

Der linke Huf dagegen schmaler und höher in den Trachten.

 

 

 


 

Bei diesem Pferd betrug der Unterschied zwischen den beiden Hufen bereits 2 Eisengrößen.



d) Boxenhaltung

Pferde, die nur in der Box gehalten werden oder dort sehr viel Zeit verbringen, können durch häufiges Im-Kreis-laufen immer in die selbe Richtung die Muskulatur einseitig aufbauen

 

2.Problematik bei Freizeitpferden

 

Einseitige Bemuskelung findet man häufig auch bei Pferden, die falsch oder einseitig gearbeitet worden sind. Gerade im Freizeitbereich sind solche Pferde zu finden, im Sportbereich hingegen weniger, da  diese Pferde im Training gezielt auf die Durchlässigkeit und gleichmäßige Bemuskelung hin gearbeitet werden. Im Freizeitbereich allerdings ist zu beobachten, dass viele Pferde mangels Wissen und Können ihrer Besitzer betroffen sind.

 a) Longieren

 

Einseitiges Arbeiten an der Longe baut auch die Muskulatur des Pferdes einseitig auf und verstärkt dadurch das Problem.

Der Mensch tendiert dazu, die leichtere Seite, auf der das Pferd meist ohnehin besser geht, länger zu arbeiten als die schlechtere. Hierbei werden die Muskeln unterschiedlich trainiert und auf der besseren Seite mehr ausgeprägt als auf der schlechteren.

 b) Reiten

 

Beim Reiten ist es ähnlich wie beim Longieren. Die gute Seite wird bevorzugt gearbeitet. Meist wird auch nur auf einer Hand galoppiert. Im Gelände ebenfalls immer auf dem gleichen Fuß leicht getrabt und ob das Pferd im Rechts- oder Linksgalopp anspringt spielt für den normalen Freizeitreiter meist keine große Rolle.

 c) Fahren

 

Immer wieder trifft man auf Fahrer/ Kutscher, die beim Zweispänner keinen Positionswechsel der Pferde vornehmen. Als Begründung wird u.a. häufig auf einen geringen Größenunterschied der Pferde verwiesen. Wiederum baut sich die Muskulatur des Pferdes einseitig auf und verstärkt das Problem.

3.Diagnostik und Auffälligkeiten beim Reiten

a) Beurteilung des Pferdes und der Gliedmaßenstellung:

 


 

Das Pferd von hinten betrachtet

 

Die linke Schulter verfügt über wesentlich mehr Muskelmasse als die rechte


 

 Pferd von vorne betrachtet:

Das Vorderfußwurzelgelenk des linken Beines ist deutlich niedriger als das des rechten


 

                                   enger Huf                         weiter Huf

Abb. Archiv Erwin Beyer                  


 

Hufe seitlich:

 

Deutlich zu sehen hier der linke Huf mit sehr flachen Trachten, der rechte Huf hingegen mit sehr hohen, steilen Trachten

 


 

Zum Vergleich hier ein regelmäßiger Huf:

Beide Hufe sind im gleichen Winkel und in der Form regelmäßig

 Abb. Archiv Erwin Beyer


b) Auffälligkeiten beim Reiten:

-         Das Pferd tritt auf einer Seite kürzer als auf der anderen. Besonders deutlich ist das im Trab sichtbar.

-         Das Pferd tut sich schwer, in der Bahn auf der betroffenen Seite zu galoppieren und fällt gerne in den Außengalopp.

-        Auf dem Zirkel bricht es über die Schulter aus, da es aufgrund der Muskelverhärtungen auf der Innenseite Schwierigkeiten hat, sich zu biegen und zu stellen.

-        Im fortgeschrittenem Stadium können wegen der Fehlstellung bereits Sehnen und Gelenkschäden entstanden sein.

 c) Auffälligkeiten beim Fahren:

      -    Das Pferd tendiert auf gerader Strecke dazu, den Kopf und Hals schief zu

           halten

-       Das Pferd hat bei engen Wendungen Schwierigkeiten, sich in die Bewegungsrichtung zu biegen und zu stellen. Es reagiert mit Kopfschütteln und trägt den Kopf nach außen.

4.Maßnahmen beim Hufbeschlag und geeignete Hilfsmittel

 

 a) Maßnahmen

 

Abb. Archiv Erwin Beyer

Beim Ausschneiden wird hier in diesem Fall zuerst der rechte enge Huf bearbeitet. Der Huf muss zum Fesselstand passen. Das heißt, wenn die Fessellinie (eine von der breitesten Stelle des Fesselkopfes durch die Mitte der Fessel gedachte gerade Linie) verlängert in den Huf hinein läuft, muss sie mit der Zehenlinie des Hufes in gleicher Richtung laufen.


 

Abb. Archiv Erwin Beyer

Auf der Zeichnung ist zu sehen ist, dass die Fessellinie gebrochen ist. Sie läuft nicht parallel zur Zehenlinie. Um diese zu begradigen, ist es hier notwendig den Huf an den Trachten zu kürzen.


 


Abb. Archiv Erwin Beyer

Der weite Huf wird möglichst nur an der Zehe gekürzt. Die Trachten werden, soweit es die Beschaffenheit des Hornes zulässt, stehen gelassen. Auch hier gilt: Der Huf muss zum Fesselstand passen. Das erreichen wir in diesem Fall durch Unterlegen eines Keils unter die zu flachen Trachten. Dadurch verschiebt sich die zu spitze Winkelung und die Fessellinie läuft wieder parallel zur Zehenlinie.



 Abb. Archiv Erwin Beyer

Wie auf der Zeichnung kann man auch hier in unserem Fallbeispiel erkennen, dass durch Anheben der Trachten mit einem Keil der Huf wieder zum Fesselstand passt.


 

Abb. Archiv Erwin Beyer

Auch die unterschiedlich hohen Vorderfußwurzelgelenke konnten dadurch wieder angeglichen werden.


 

Abb. Archiv Erwin Beyer

 

Von hinten betrachtet wurden die Trachten wieder auf gleiche Höhe gestellt

 


Je nach Ausprägung der unterschiedlichen Hufe sind mehrere Beschlagsperioden notwendig, um diese einander wieder anzugleichen. Ein guter Vergleich sind Menschen, die täglich mit unterschiedlichem Schuhwerk laufen müssen: Etwa an einem Fuß einen Turnschuh, am anderen einen Stöckelschuh.

Wir würden sichtbar ungleichmäßig laufen und auf Dauer Haltungsfehler bekommen. Sehnen und Muskeln würden sich verkürzen bzw. verlängern, Gelenke sich vorzeitig abnutzen. Wenn dann wieder zwei gleiche Schuhe getragen werden, werden wir das nach kurzer Einlaufzeit als sehr angenehm empfinden und locker und gelöst loslaufen.

 So etwa wird es dem Pferd nach dem Beschlag gehen. Erfahrungsgemäß laufen die Pferde gleich nach der ersten Korrektur sichtbar besser, da die Vorderbeine endlich wieder auf gleicher Höhe stehen. Dadurch wird auch der beanspruchte Schulterbereich wieder entlastet und das Pferd kann zu einer normalen Haltung zurück finden.

 b) Hilfsmittel

 Um dies zu erreichen, sind verschiedene Kunststoffkeile zu empfehlen. Diese sind in verschiedenen Stärken und Materialien im Fachhandel erhältlich.

 Materialien die zu weich sind, dürfen nicht verwendet werden, da sie den Hufmechanismus blockieren und somit die Gefahr besteht, dass sich die Trachten einrollen. Deswegen ist bei der Auswahl der Keile unbedingt auf höchste Qualität zu achten.

 Abzuraten ist vom Gebrauch von Aufschweißkeilen, da sie ein zusätzliches Gewicht am Huf bedeuten. Dadurch hat das Pferd auf der betroffenen Seite wieder einen höheren Kraftaufwand beim Abfußen. Außerdem: läuft das Pferd auf weichem Boden (z.B. Reitplatz) drückt sich der Aufschweißkeil so tief in den Boden dass das Pferd auf dieser Seite wieder flacher ist als auf der anderen und die Wirkung des Keils verloren geht. Das soll in jedem Falle unbedingt vermieden werden.

 

 

A)                Keil aus zu weichem Material

 

 

 

B)               Halber Keil aus stabilem Material

 

C)               Keile aus stabilem Material

 Abb. Archiv Erwin Beyer


  

 

 

5.Training des betroffenen Pferdes

 

Nachdem das unausbalancierte Pferd durch den korrigierenden Beschlag wieder Stück für Stück in Balance gebracht wird, liegt es nun in der Hand des Reiters/ Fahrers, das Pferd entsprechend zu arbeiten und zu trainieren, um die Muskulatur auf beiden Seiten wieder anzugleichen.
Empfehlenswert dafür ist es, das Pferd nach der Uhr zu arbeiten.Beim Longieren bedeutet das, alle 5 bis 7 Minuten die Hand zu wechseln. Ebenso sind beim Reiten in der Bahn beide Seiten gleich zu arbeiten, indem man die selben Bahnfiguren beidseitig reitet, beispielsweise 5 Runden Rechtsgalopp, 5 Runden Linksgalopp usw.Dennoch sollte man sich auf keinen Fall dazu hinreißen lassen, die schlechtere Seite mehr zu arbeiten.
Auch bei Ausritten kann das Pferd auf die gleichseitige Bemuskelung hin trainiert werden. Man achtet darauf, dass bei längeren Trabstrecken immer wieder umgesessen und auf dem anderen Fuß leicht getrabt wird. Besonders bei bekannten Strecken lässt sich das gut einteilen. Auf Galoppstrecken sollte abwechselnd auf Links- oder Rechtsgalopp bestanden werden .und evtl. Mitte der Strecke durchpariert und neu angaloppiert werden.

Betroffene Fahrpferde werden zunächst (mit Uhr) gleichmäßig an der Doppellonge gearbeitet.

Es ist unbedingt nötig, möglichst bei jedem weiteren Einspannen die Position des Pferdes beim zwei- und mehrspännigen Fahren zu wechseln.

Das Gespann sollte im Schritt den Stall verlassen und frühestens nach etwa 1 km angetrabt werden, damit Muskeln und Sehnen sich erwärmen können. Danach folgt eine ca. 3-4 km lange Trabstrecke - möglichst auf Feld- oder Waldwegen. Nach dieser Lösungsphase sollten mehrere Gangartenwechsel, sowie Anhalten und Rückwärtsrichten geübt werden.

Besteht die Möglichkeit auf einem geeigneten Trainingsfeld zu fahren, so kann man dort, je nach Können, mit den einfachen Elementen der Dressur beginnen. Am besten werden häufig „Achten“ und große und kleine Zirkel gefahren, damit die Pferde sich auf beiden Seiten stellen und biegen müssen. Auch hier ist darauf zu achten, dass beide Seiten gleich gearbeitet werden.

6.Fazit

 

 Es besteht eine gute Chance, dass mit den aufgezeigten Maßnahmen ein betroffenes Pferd trotz Fehlstellung voll einsatzfähig ist und - im Gleichgewicht stehend - ihm ein langes und gesundes Pferdeleben ermöglicht wird. Die Voraussetzungen dazu sind:

·        eine fachgerechte Beurteilung der Situation des Hufes im Zusammenhang mit der Gesamtsituation des Pferdes, im Stand und in der Bewegung, vor und nach der Hufbearbeitung

·        Dialog und Beratung des Pferdehalters mit und durch den Hufschmied und/ oder Tierarzt

·        Berücksichtigung von Nutzungsart und -intensität, Haltungsform, Gesundheitszustand und Alter des Pferdes

·        individuell abgestimmter korrekter und für die Situation notwendiger Hufbeschlag

·        richtiger Aufbau des Trainings an der Longe sowie unter dem Sattel (es dürfen keine Schmerzen, Leiden, Überforderungen oder Schäden für das Pferd damit verbunden sein)

·        regelmäßige Positionswechsel der Pferde im Zwei- und Mehrspänner

·        eine verhaltensgerechte Unterbringung, Ernährung und Pflege und soziale Kontakte zu Artgenossen usw.

( Alle Abb. und Bilder stammen aus dem Archiv Erwin Beyer)

Literaturhinweise:

 

- „Vollendete Reitkunst" (früherer Titel: "Der Reiter formt das Pferd") von Udo

    Bürger

- „Anspannen und Fahren“ von Benno von Achenbach

 - „Anatomie des Pferdes“ von Bodo Hertsch

- „The Principles of Horseshoeing II“ von Dr. Doug Butler

 - „Hufprobleme beim Pferd“ von Rob van Nassau

 - „Der richtige Hufbeschlag“ von John Hickman

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

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